IMHO :-) Serie
 

Zapfwellengetriebenes Gerät

 

Die Parteienskandale zur Jahrtausendwende und ihre
Auswirkungen auf die bundesrepublikanische
Verfassungswirklichkeit. Von Prof. Dr. Eberhard Sauweich

Teil 1: Die SPD und die Fluchaffäre

Nun, da sich die von Affären arg ge-
beutelte CDU unter dem neuen Füh-
rungsduo A. F. Merzel zu reformieren
beginnt, scheint es auch an der Zeit
zur Aufarbeitung der SPD-Skandale
aus NRW und Niedersachsen, welche
neben der "Schwarzgeldkoffer-Affäre"
der Christdemokraten eher provinziell
harmlos anmuteten und daher medial
in den Hintergrund traten.

In der Fluchaffäre gerät der ins
Zwielicht geratene Bundespräsident
durch hartnäckiges Leugnen zuneh-
mend ins Drielicht. Während seiner

Amtszeit als NRW-Ministerpräsident
soll Johannes Rauh bei einem seiner
geliebten Skatabende den Fluch:
"Verdammte Scheiße! Hätte ich bloß
die Herz 10 gebunkert!" gerufen
haben.

Ein solch drastischer Fluch ist
allerdings bei Bruder Johannes nur
schwer vorstellbar. Hätte ein fröm-
melnder Zeitgenosse wie er nicht
gerufen: "Herrgottnochmal!" oder
"Schei...benhonig!"? Wahrscheinlich
aber noch eher: "In-Streifen-geschnit-
tenes-Bienensekret!" oder einfach

"§%&*!!!" was unter Eingeweihten
soviel bedeutet wie: "Dollar, Prozent,
kaumännisches 'Und', Sternchen und
drei Ausrufungszeichen".

Doch auch wenn sich herausstellen
sollte, daß Rauh tatsächlich geflucht
hat - Ist ein deftiger Fluch in manchen
Situationen nicht allzu menschlich?
Haben wir nicht alle bei extremen
Schicksalschlägen schon einmal "Oh
Kacke!" gerufen oder es zumindest
gedacht? Selbst unter meinen Profes-
sorenkollegen der Uni Gießen, denen
man einen Mangel an guter Kinderstu-
be gewiss nicht nachsagen kann, gibt
es einen, der zugibt, er habe, als
letztes Jahr seine millionenschwere
Hochseeyacht versank, sekundenlang
beinahe geplant, "Oh Kacke!" zu
denken.

Gravierender noch als Rauhs lange
zurückliegender Fluch ist das Fehlver-

halten des früheren NRW-Finanzmi-
nisters Schleußer, der in der Pflugaf-
färe einen bestürzenden Mangel an
Trennschärfe zwischen Privatem und
öffentlichem Interesse offenbarte. Wie
konnte es angehen, daß dieser Mann
jahrelang mit einem von der Landes-
bank finanzierten zapfwellengetriebe-
nen Kreiselpflug Auspflüge in die
Nachbargemeinden Backen und
Großtitten unternahm und dabei mit
seinem Bodenauflockerungsgerät
auch noch stundenlang den Feier-
abendverkehr auf der Autobahn
blockierte?

Vergebens versuchte Schleußer
diese Fahrten hinterher als Dienstrei-
sen auszugeben, bei denen Finanz-
probleme Nordrheinwestfalens erör-
tert worden seien. Selbst beim Koali-
tionspartner erntete er mit dieser Er-
klärung nur Höhngelächter, auch wenn


Die Herz 10 des Anstosses:
Schei...benhonig oder Scheiße?
der Bürgermeister Großtittens vor
dem parlamentarischen Untersu-
chungsausschuß bestätigte, er habe
Schleußer einmal im Vorbeifahren
"Was macht der Euro?" zugerufen.

Die Grünen halten sich mit weiterer
Kritik an ihrem Koalitionspartner wohl-
weislich zurück. Schließlich sind sie
mittlerweile selbst in die Schußlinie
geraten. Daß ihr Abgeordneter Se-
bastian Schlumpf in der letzten Wo-
che aus dem Fenster seines im Düs-
seldorfer Landtag gelegen Büros
geblickt hatte, war zunächst nur eine
unbedeutende Pressemeldung.

Zum Skandal wurde die Sache erst,
als die "Welt" aufdeckte, Schlumpf
habe bei seinem Blick aus dem Fen-
ster einem vorbeifliegenden Vogel
nachgeschaut. Da Schlumpf von Amts
wegen jedoch keinesfalls mit ornitho-

logischen Dingen befaßt sei, habe es
sich bei seinem Blick mit an Sicher-
heit grenzender Wahrscheinlichkeit
um einen rein privaten Blick gehan-
delt. Die Kommentatoren aller großen
Tageszeitungen schäumten: Kann die
Aufsicht des Landtages es wirklich
hinnehmen, wenn ein Abgeordneter
einen privaten Blick aus einem aus
Steuermitteln finanzierten Fenster
wirft? Wir meinen: Naja ... irgendwie
schon.

In der nächsten Folge: Als Konsequenz aus
dem Parteienskandal empfehlen führende
Verfassungsrechtler eine Teilprivatisierung
der Bundesregierung. Ist dies wirklich eine
Lösung?

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