IMHO :-) Weltkrisen
 

Blauhelmsoldaten im Klo

Zunächst als "Vertikal-Posse" verspottet, entwickelt
sich 10,82 Meter über dem Erdboden ein neuer
Krisenherd. Und wieder zeigt sich die UN hilflos.
Von Bettina Trulk

"Ich habe eine schöne Frau und
fünf wunderschöne Kinder", mur-
melt der rotbärtige Mechaniker
Deri Diot, 35, "aber für die Freiheit
des 3. Stockwerks würde ich sie
alle opfern." Wie dieser Mann den-
ken neuerdings viele Männer rund
um das Mittelmeer. Der dort leben-
de Volksstamm der Phrasen bean-
sprucht den Luftraum in Höhe des
3. und größtenteils auch des 4.
Stockwerks als sein historisches
Eigentum und will seine Unabhän-
gigkeit notfalls mit Gewalt erzwin-
gen.
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Die Phrasen sehen sich als direk-
te Abkömmlinge einer vor Urzeiten
in diesem Gebiet heimischen Pri-
matengattung, welche auf Bäumen
fast ausschließlich elf bis sechzehn
Meter über dem Erdboden lebte.
Phrasische Ethnobiologen erklä-
ren dies damit, daß nur in dieser
Höhe bestimmte Arten von Früch-
ten wuchsen, von denen sich die
Primaten ernährten.

Zwar ist unstreitig, daß die Phra-
sen eine eigene Kultur entwickelt
haben, doch Genforscher konnten
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keine Hinweise entdecken, die auf
eine eigenständige Entwicklungsli-
nie schließen lassen. Linguisten
dagegen betonen, daß es im Phra-
sischen eigene Idiome gibt, die
von allen anderen Völkern rund
ums Mittelmeer sofort identifiziert
werden. Hört man zum Beispiel
Leute singen: "Für das 3. Stock-
werk vergießen wir mit Freuden
unser Blut!" so weiß jeder: "Das
können nur Phrasen sein!"

Seit Jahrzehnten schon fordern
phrasische Separatisten einen un-
abhängigen Luftraum. Aber dies
wurde immer als Spinnerei wirrer
Einzelgänger abgetan, und erst als
radikale Phrasen begannen, in
den Treppenhäusern Wegezölle zu
erheben und phrasische Über-
grundkämpfer in Sevilla das 5.
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Stockwerk eines großen Gebäu-
dekomplexes sprengten, erkannte
die Völkergemeinschaft den Ernst
der Lage.

In Griechenland und Süditalien
herrscht eine gespannte Stim-
mung, denn in immer mehr Misch-
ehen nötigen Phrasen ihren nicht-
phrasischen Lebenspartner, mit
dem sie bisher friedlich zusammen
im 4. Stockwerk lebten, auf ein
Hochbett oberhalb von sechzehn
Metern zu ziehen. Und Einar
Schloch, 53, ehemals Kunstprofes-
sor in Mailand und nun Führer der
einflußreichen Separatistengrup-
pierung F11 (Freedom 11 Meters)
tönt nach dem Anschlag von Sevil-
la: "Stellt unsere Gutmütigkeit nicht
zu sehr auf die Probe. Sonst wer-
den wir überall auch das 1. und 2.
Stockwerk wegbomben!"
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Wieder einmal hat die Staatenge-
meinschaft viel zu spät reagiert,
und erst jetzt beginnen Völkerrecht-
ler im Auftrag der UN zu grübeln,
wem der 3. Stock gehört, und ob
es sich hierbei um einen Territorial-

territorien

Heiliger Luftraum der Phrasen
(Schematische Darstellung)
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oder einen Aerotorialkonflikt han-
delt. Derweil versuchen die Führer
der F11 die explosive Stimmung
mit martialischen Sprüchen weiter
aufzuheizen: "Wir sind hier geboren
und jeder ehrenvolle Phrase wird
lieber sterben, als die heiligen
Stockwerke seiner Väter aufzuge-
ben!"

Da sich die Bewohner anderer
Stockwerke bereits zu bewaffnen
beginnen und Ströme gemäßigter
Phrasen versuchen, über Hänge-
brücken in weniger spannungsrei-
che Gebiete zu fliehen, erwägt die
UN die Konfliktparteien voneinan-
der zu trennen, indem sie Blau-
helmsoldaten im Klo auf halber
Treppe stationiert. Sinnvoll ist si-
cher auch ein Handelsembargo,
um die Phrasen zur Vernunft zu
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zwingen. Denn die Phrasen sind
auf den Warenaustausch mit ande-
ren Volksgruppen angewiesen, da
sie über nur wenige Bodenschätze
verfügen.

Abwi Egler, zweiter Sekretär der
F11, scheint inzwischen langsam
auf eine gemäßigte Linie umzu-
schwenken: "Wir sollten jedoch bei
unserem gerechten Kampf nicht
vergessen, daß Menschlichkeit
das oberste Gebot bleibt! Wenn
wir also unsere Feinde gemeu-
chelt haben und sie tot vor uns im
Staub liegen, müssen wir ihnen
verzeihen!"
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